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Galaxis Milchstraße

Entschlüsselung der großräumigen Struktur unserer Galaxis

K.S. de Boer,   Sternwarte, Universität Bonn

Im nächtlichen Sternenhimmel liegt diffus leuchtend die Milchstraße. Es ist ein Band voller Sterne, einige hell, die meisten schwach. Die Sonne ist offenbar einer der vielen Sterne in einer großen Scheibe. Bei genauerer Betrachtung ist erkennbar, dass die Scheibe in einer Richtung (Bild 1) dichter mit Sternen besetzt ist und auch dicker ist. In dieser Richtung könnte man den Schwerpunkt dieser Scheibe vermuten.

Ausschnitt des Nachthimmels mit der Milchstraße
Bild 1. Ausschnitt des Nachthimmels mit der Milchstraße
Vielfältige Untersuchungen waren erforderlich, um die dreidimensionale Struktur unserer Galaxis einigermassen beschreiben zu können. Dabei haben sicher Betrachtungen anderer Galaxien geholfen, eine realistische Vorstellung über die Struktur unserer Galaxis zu gewinnen. Unsere Galaxis ähnelt anderen scheibenartigen Spiralgalaxien. Spiralgalaxien sehen aber dennoch unterschiedlich aus, zum Teil auch vorgetäuscht durch die unterschiedlichen Orientierungen dieser Galaxien im Raum (Beispiele in Bild 2).

Bild 2.   Beispiele von Spiralgalaxien mit unterschiedlicher Orientierung im Raum
(M 74 und NGC 4565 aus der Bilderreihe von Martin Altmann (Observatorium Hoher List), M 109 von NOAO/AURA/NSF)
 
Spiralgalaxie in Aufsicht: M 74Spiralgalaxie (M 74)
in Aufsicht
Spiralgalaxie M109 schräger AnsichtSpiralgalaxie (M 109)
in schrägem Stand
Spiralgalaxie von der Seite gesehen: NGC 4565Spiralgalaxie (NGC 4565)
auf der Kante gesehen

In der ersten Hälfte des 20. Jh. wurde entdeckt, dass zwischen den Sternen, also im interstellaren Raum, interstellares Gas existiert, dem interstellarer Staub beigemischt ist. Dieser Staub schattet weit entfernte Sterne der Scheibe unserer Galaxis ab, so dass wir nur einen eingeschränkten Teil als Milchstraße sehen können. Einige Widersprüche bei den Untersuchungen der Struktur der Galaxis konnten erst nach den Erkenntnissen über den Staub aufgeklärt werden.

1. Allgemeine Überlegungen

Im Raum werden Objekte sich räumlich so anordnen, dass ihre Lage und Bewegung mit der Wirkung der Gravitation im Einklang sind. In einem einigermassen symmetrischen System werden Objekte um den Massenmittelpunkt pendeln. Haben Objekte Bahnen um den Massenmittelpunkt herum, so sind diese elliptisch (mit dem Massenzentrum als einer der Fokalpunkte) oder bei geeigneter Bahngeschwindigkeit sogar kreisförmig. Wenn keine bevorzugte Ebene existiert, so etabliert sich eine sphärische Verteilung der Objekte mit Dichteabfall nach aussen. Unser Planetensytem hat eine bevorzugte Ebene, Planeten und Sonne befinden sich in einer Scheibe und alle Planeten bewegen sich in der Ebene nahezu in Kreisbahnen um die Sonne.

Unsere Galaxis kann als Scheibengalaxie charakterisiert werden. Wir können dies abends einfach an das Milchstraßenband am Himmel feststellen. Die Galaxis hat eine Scheibe, etwa wie ein dicker Pfannkuchen.
In unserer Galaxis gibt es eine weiträumige fast sphärisch verteilte stellare Komponente. Die Objekte nehmen (deswegen) nicht oder nur geringfügig an der Rotation (so wie sie die Scheibe der Galaxis hat) teil. Diese sphärische Struktur wird Halo genannt. Dort gibt es neben vielen alten Sternen auch mehr als hundert kugelförmige Sternhaufen. Eine Skizze der Strukturen unserer Galaxis ist in Bild 3 gegeben.
Unsere Galaxis hat offenbar (mindestens) zwei Komponenten, die eine räumlich stark unterschiedliche Struktur haben und deren Objekte ganz unterschiedliche Bewegungen zeigen. 



Bild 3. Skizze der Galaxis, mit darin angegeben: das Zentrum mit seinem Buckel, die Scheibe mit Spiralarmen, die Sonne (schwarzer Punkt), und der Halobereich mit Sternen und insbesondere auch Kugelsternhaufen

2. Sternzählungen und räumliche Verteilung der Sterne

Die ersten Untersuchungen über die Struktur der Galaxis basierten auf Sternzählungen. Schon mit dem blossen Auge gezählte Sterne pro Himmelsfläche zeigen eine asymmetrische Verteilung. Nimmt man an, dass alle Sterne von sich aus gleich hell sind, so kann man aus der gemessenen Helligkeit die Entfernung r ableiten: I(gemessen) = I(Sternoberfläche) /r2. Auf diese Art liesse sich die räumliche Verteilung der Sterne bestimmen.

Seit dem Anfang des 20. Jh. ist aber bekannt, dass Sterne eine große Variation ihrer Eigenschaften aufweisen: Einige sind heiss und bläulich, viele sind kühl und rötlich, einige strahlen sehr hell, die meisten geben weniger Licht ab. Wie groß die Spannbreite der Eigenschaften ist, kann im Hertzsprung- Russell-Diagramm (HRD) oder im Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) gesehen werden (siehe Das HRD und das Maß der Sterne).

Die von uns im Sichtbaren (visuell, V) wahrgenommene Helligkeit eines Sterns wird die scheinbare Helligkeit genannt und mit mV angedeutet. Sie alleine gibt keine Hinweise auf die sonstigen Eigenschaften eines Sterns. Die wahre Menge des von einem Stern im Sichtbaren abgegebenen Lichtes wird als absolute Helligkeit, MV, definiert. Es ist die Helligkeit, die ein Stern hätte wenn er in einer Entfernung von 10 pc von uns stünde. Sie erlaubt unmittelbare Vergleiche der Sterne unter einander.

Ohne Kenntnis des Vorkommens der unterschiedlichen Sterne mit deren unterschiedlichen absoluten Helligkeiten liefern die Sternzählungen keine guten Einblicke in die wahre räumliche Verteilung der Sterne. Dazu wird aus dem Farben-Helligkeits-Diagramm eine mathematische Formel abgeleitet, die die Statistik der verschiedenen Sterntypen beschreibt. Diese Statistik ist die sogenannte Leuchtkraftfunktion. Damit kann bei Sternzählungen die Variation der absoluten Helligkeiten im statistischen Sinne berücksichtigt werden.
Sterne werden in einer gewissen Himmelsrichtung in einer kleinen Fläche w (Raumwinkel) gezählt und in Helligkeitsbereiche einsortiert. Diese Zählung liefert die Statistik A(m). Es ist jetzt die Aufgabe, aus der Sternzählung unter Anwendung der Leuchtkraftfunktion die wahre Verteilung der Sterndichte D gegen die Entfernung r, also D(r), zu finden. Die Methode wird in Bild 4 beschrieben.

  Bild 4

Sterne in einem Raumwinkel
verteilt in Entfernung r

A(m) Statistik der stellaren scheinbaren Helligkeiten (m)D(r) Sterndichte als Funktion von r Leuchtkraftfunktion
(Anzahl bei absoluter Helligkeit MV , abhängig vom Ort)
Nach Jahrzehnten von Untersuchungen konnte folgendes Bild für die Struktur der räumlichen Verteilung der Sterne in der Umgebung der Sonne festgestellt werden (Bild 5).
–> In Richtungen senkrecht zur Scheibe nimmt die Sterndichte nach aussen hin rasch ab.
–> In der Milchstraße, also in der Scheibe selber, ist die Sterndichte etwas ungleichmässig, aber in Richtung des Zentrums der Galaxis nimmt sie zu.

Bild 5. Aus Sternzählungen abgeleitete Raumdichte der Sterne in der Galaxis, gezeigt in einem Querschnitt (Ebene durch Sonne und durch das Zentrum der Galaxis; die Lage der Sonne ist mit dem Kreis angedeutet). Die Dichte (normiert auf die Raumdichte der Sterne in Sonnennähe, 1.0) fällt in Richtungen senkrecht zur Scheibe (z-Richtung) ab, nimmt in Richtung des Zentrums unregelmässig zu. Entfernungen in Einheiten von parsec (pc). (Bild nach Oort 1938)

3. Entfernung zum Zentrum der Galaxis

Die Richtung zum Zentrum der Galaxis ist am Himmel grobweg an der Milchstraße erkennbar (Bild 1). Das Zentrum selber wird aber von den dicken Schichten staubigen interstellaren Materials verdeckt. Die Lage des Zentrums (d.h. seine Entfernung) zu bestimmen, erforderte einen Umweg.

Sterne in einem kugelförmigen Sternhaufen haben, von uns aus gesehen, alle die gleiche Entfernung. Misst man nun Farbe und Helligkeit solcher Sterne, so bekommt man ein FHD mit einer darin wohl etablierten Hauptreihe. Aus der Schwäche der Sterne der beobachteten Hauptreihe kann man, im Vergleich zur absoluten Hauptreihe des HRD, die Entfernung des Sternhaufens berechnen. Der Mittelpunkt der räumlichen Verteilung aller Kugelhaufen, die wegen der Gravitation etwa symmetrisch um den galaktischen Massenmittelpunkt verteilt sind (Bild 3), lässt nun auf die Lage des galaktischen Zentrums schliessen!
Genauer gesagt, aus der Tatsache, dass die Kugelsternhaufen eine nahezu sphärische Verteilung aufweisen, kann man sowohl schliessen, dass der Mittelpunkt deren Verteilung das gravitative Zentrum der Milchstraße sein muss (sodass man damit die Entfernung zum Zentrum bekommt) als auch dass die Kugelsternhaufen als System nicht um das Zentrum rotieren sondern Tauchbahnen mit willkürlicher Orientierung haben.
In Kugelsternhaufen findet man meistens auch veränderliche Sterne des Typs RR Lyr. An Hand der Entfernungen der Kugelsternhaufen stellte sich heraus, dass diese Sterne alle etwa die gleiche (mittlere) absolute Helligkeit haben. Mit dieser Erkenntnis konnten dann frei im Halo vorkommende RR Lyr Sterne (es gibt im Halo noch viele andere alte Sterne auch!) ebenfalls einfach zur Bestimmung der sphäroidalen räumlichen Verteilung der Sterne und somit zu der Bestimmung der Lage des galaktischen Zentrums herangezogen werden (Bild 6).

Bild 6.   Die Entfernung zum Zentrum der Milchstraße wurde mit Hilfe der von Plaut durchgeführten Palomar-Groningen Survey (1950-1975) von Oort und Plaut (1975) aus der räumlichen Verteilung der RR Lyr Variablen abgeleitet.
Oben: Skizze zur Erläuterung der Methode: In einem Raumwinkel mit Richtung weg von der durch Staub undurchsichtbare Scheibe werden alle RR Lyr Sterne gesucht und deren Entfernung photometrisch bestimmt. Bei einer sphäroidalen Verteilung der Halo RR Lyrae befindet sich die größte Raumdichte auf dem Sehstrahl in einem Punkt tangential an den sphärischen Dichtekonturen.
Unten: Das Ergebnis aus mehreren Richtungen bei mittleren galaktischen Breite b=-8 Grad ist R=8.5 kpc (Bild von Reid 1993).

So, und mit weiteren Hinweisen aus anderen Methoden, kennen wir die Richtung zum Zentrum der Galaxis und wissen wir, dass dessen Entfernung etwa 8.5 kpc ist (1 kiloparsec ist etwa 3 Tausend Lichtjahre).

4. Rotationsgeschwindigkeit

Alle Objekte im Raum bewegen sich. Die Bewegung der Sterne der Milchstraße ist ziemlich gleichmässig: Sie bewegen sich in etwa in Kreisbahnen um das Zentrum der Galaxis. Wie fand man das heraus?

Rotation aus Messungen an nahen Sternen
Stellen wir uns einmal ein Feld mit 9 Sternen vor, wobei die Sonne der mittlere der neun ist. Dieses Feld bewegt sich um das Zentrum der Galaxis. Wie es nach den Keplerschen Gesetzen sein soll, nimmt die Bahngeschwindigkeit nach aussen hin langsam ab. Von der Sonne aus gesehen, ist es leicht, die Relativgeschwindigkeiten der Sterne darzustellen (Bild 7). Bei Messung der Radialgeschwindigkeit (Doppler-Effekt!) aus Spektren der Sterne in der Sonnenumgebung fand man dieses Muster. Die Messungen liefern allerdings nur die Relativgeschwindigkeiten vor Ort. (Dabei wurde auch entdeckt, dass die Sonne eine Pekuliargeschwindigkeit gegenüber dem mittleren Sternenfeld hat; seitdem wird jede Messung immer sofort für diese Pekuliargeschwindigkeit korrigiert. Transformation von “heliozentrische” in “LSR” [Local Standard of Rest] Geschwindigkeiten)

Bild 7.   Theorie stellarer Geschwindigkeiten in der Sonnenumgebung

Vektoren der Geschwindigkeit von 9 Sternen; in der Mitte die Sonne mit V0
Vektoren der Geschwindigkeiten unter Abzug der Geschwindigkeit der Sonne
Radiale Geschwindigkeit der 8 Sterne (bezogen auf die Sonne)
“Eigenbewegung” der 8 Sterne von der Sonne aus gesehen

Die Sterne der Sonnenumgebung bewegen sich gleichmässig in Bahnen weiträumig um das Zentrum der Galaxis (dessen Richtung unten ist). Sterne in der gleichen Bahn haben die gleiche Geschwindigkeit.

Links das Feld mit den jeweiligen wahren Geschwindigkeitsvektoren. (Eigentlich sind die Bahnen der Sterne etwas gekrümmt, was aber bei der Betrachtung in dieser Skizze erst mal ausser Acht gelassen wird.) Mitte-links: Geschwindigkeiten nach Abzug der Sonnengeschwindigkeit. Sie können in eine radiale Bewegung und eine Querbewegung zerlegt werden, so dass es, Mitte-rechts, nur die radiale Komponente gibt, die mit Hilfe des Doppler Effekt in Spektren messbar ist, und Rechts die Querbewegung (laterale Bewegung; Eigenbewegung) ist die verbleibende Komponente. Sie wird gemessen aus der kleinen Änderung der Position des Sterns am Himmel, die nur nach ganz langen Zeiten (Jahren) festgestellt werden kann (siehe Text zu Positionsastronomie

Bahngeschwindigkeit der Sonne
Da alle Sterne sich bewegen, ist es nicht einfach, einen Bezugspunkt für die Bestimmung einer absoluten Geschwindigkeit zu finden. Die Kugelsternhaufen konnten hier wieder helfen. Die Messung der (radiale) Geschwindigkeit der Kugelsternhaufen zeigte, dass scheinbar die Objekte links vom Zentrum der Galaxis im Mittel auf uns zukommen, die rechts vom Zentrum im Mittel von uns weg bewegen. Eine Annahme musste noch gemacht werden, die man aber aus der sphärischen räumlichen Verteilung der Kugelsternhaufen begründen kann (siehe oben): im Mittel nehmen die Kugelsternhaufen nicht an der galaktischen Rotation teil. Die Annahme wurde untermauert dadurch, dass die gemittelte radiale Geschwindigkeiten aller Kugelhaufen etwa 0 km/s ist. Die Differenz der gemittelten radialen Geschwindigkeit der Kugelhaufen links und rechts zeigt das Abbild der Bahngeschwindigkeit der Sonne! Aus diesen Überlegungen folgt 220 km/s als Bahngeschwindigkeit der Sonne.

Rotation aus Messungen am interstellaren Gas
Als es 1953 gelang, zum ersten Mal die Radioemission bei 21 cm vom interstellaren Wasserstoffgas zu detektieren, eröffnete dies sofort die Möglichkeit, die ganze Galaxis zu untersuchen. Radiostrahlung wird nicht vom interstellaren Staub abgeschattet, und deswegen kann die 21 cm Radiostrahlung der Gaswolken uns aus allen Bereichen der Galaxis erreichen. Allerdings kann man an der Strahlung nicht ohne weiteres erkennen, in welcher Entfernung die strahlende Wolke liegt.

Die 21 cm Wasserstoffstrahlung konnte dennoch verwendet werden, um das Rotationsverhalten von großen Teilen der Galaxis zu untersuchen. Wenn man das Rotationsverhalten der Scheibe kennt, so kann aus einer mit der Wasserstoffstrahlung beobachteten Geschwindigkeit unter Verwendung des Rotationsmodells die Lage der strahlenden Wolke abgeleitet werden. Das Rotationsmodell wurde weitgehend mit Hilfe der Tangentialpunktmethode bestimmt.
Da die Galaxis eine rotierende Struktur hat, in der das Gas sich in einer dünnen Scheibe befindet, geht man bei der Untersuchung der Rotation von folgenden vernünftigen Annahmen aus:
1. Das Gas befindet sich in der Scheibe. (Dies folgt aus Messungen; man denke an das Band der Milchstraße, auch im Gas.)
2. Das Gas bewegt sich auf Kreisbahnen um das Zentrum der Galaxis. (Falls eine Wolke in einer anderen Richtung bewegen würde, gäbe es bald eine Wolkenkollision; hierdurch werden solche abweichende Geschwindigkeiten in einer ruhig rotierenden Galaxie verhindert. Die in den Wolken gebildeten Sterne befinden sich somit auch auf Kreisbahnen.)
3. Die Bahngeschwindigkeiten sind nur geringfügig und gleichmässig mit der Entfernung R zum Zentrum anders. (Nach Kepler gäbe es einen Abfall proportional zur Wurzel aus R.)
4. Die Entfernung von uns zum Zentrum der Galaxis muss bekannt sein. (Dies ist der Fall; siehe Kap. 3, oben).
Richten wir unser Radioteleskop nun auf die Scheibe in eine Richtung mit Winkel l neben dem galaktischen Zentrum, so wird von der Bahngeschwindigkeit der Wolken auf dem Sehstrahl nur ein Teil als radiale Geschwindigkeit sichtbar. Es ist daher zu erwarten, dass die größte gemessene Radialgeschwindigkeit von Gas im Tangentialpunkt oder in dessen Nähe herrührt (Bild 8), dort wo die ganze Bahngeschwindigkeit als Radialgeschwindigkeit sichtbar wird. Und so erhält man für diese Wolke aus der Geometrie die Entfernung zum Zentrum der Galaxis und damit die Geschwindigkeit der Rotation in dieser Bahn. Die Geschwindigkeit der anderen Wolken auf dem Sehstrahl ist teilweise seitwärts gerichtet, man sieht also nur einen Teil der Bahngeschwindigkeit in der radialen Komponente, daher haben diese Wolken alle eine kleinere Radialgeschwindigkeit als die Wolke im Tangentialpunkt (siehe auch “Astronomie”; Schwarz et al. 2001).


  Bild 8. Geometrie zur Bestimmung der Rotationskurve der Galaxis.

Geometrie der Tangentialpunktsmethode
Rechte Seite: Beispiel Gaswolken innerhalb der Sonnenbahn. Gaswolken entlang eines Sehstrahls in Richtung galaktischer Länge l senden 21-cm Wellen in alle Richtungen. Die Gaswolken befinden sich (siehe Annahmen) auf Kreisbahnen um das Zentrum der Galaxis. Von uns aus gesehen, kann die wahre Geschwindigkeit jeder Wolke in eine radiale Komponente (entlang des Sehstrahls), die Radialgeschwindigkeit, und eine laterale Komponente (seitwärts), die laterale Geschwindigkeit, zerlegt werden. Nur die relative Radialgeschwindigkeit (Vr minus V0r der Sonne) kann einfach gemessen werden. Gas in der Nähe des sogenannten Tangentialpunkts T (wo unser Sehstrahl Bahntangente ist) zeigt daher die größte relative Radialgeschwindigkeit VRT , die anderen auf dem Sehstrahl vorhandenen Gaswolken eine kleinere.
Die Geometrie (die Entfernung von uns zum Zentrum der Galaxis RGC sei bekannt) liefert so die Geschwindigkeit der Rotation der Galaxis im betrachteten Tangentialpunkt T in Entfernung R des galaktischen Zentrums.
Linke Seite: Beispiel Sterne ausserhalb der Sonnenbahn. Für galaktozentrische Entfernungen größer als die der Sonne muss man (wegen der anderen Geometrie: es gibt hier keinen Tangentialpunkt) anders vorgehen. Hier können Sterne verwendet werden, da in diesen Richtungen die interstellare Extinktion (Verdunklung) die Messungen viel weniger stark behindert (insbesondere in Richtungen mit galaktischen Längen zwischen 90o und 270o) und die Entfernungen der Sterne relativ einfach bestimmbar sind.
Die Radialgeschwindigkeit der Sterne kann einfach gemessen werden und die Entfernung (d*) ist mit Hilfe spektroskopischer Methoden abzuleiten. Wieder nimmt man an, dass sich solche Objekte auch auf Kreisbahnen um das galaktische Zentrum bewegen (siehe Annahmen). Damit ist die Geometrie der Zerlegung des Geschwindigkeitsvektors definiert und kann die Bahngeschwindigkeit in galaktozentrischer Entfernung R* berechnet werden.
Dies liefert pro Stern einen Datenpunkt für die Rotationskurve bei R größer als R0

Die Rotationskurve der Galaxis
Aus Messungen an der 21 cm Strahlung in mehreren Richtungen l konnte so ein wesentlicher Teil der Rotationskurve der Galaxis, und zwar der innere Teil, bestimmt werden. In Richtungen, die mehr als 90o von der Richtung zum galaktischen Zentrum weg sind, gibt es allerdings keinen Tangentialpunkt. Um für Bahnen in größerer Entfernung als die der Sonne zum Zentrum, den äusseren Teil der Rotationskurve, die Bahngeschwindigkeit zu bestimmen, verwendet man Objekte mit einfach feststellbarer Entfernung (siehe Bild 8). In Frage kommen sehr leuchtkräftige junge Sterne, deren Bewegung noch nahezu die ihrer Geburtswolken (Kreisbahn in der Galaxis) ist. Letztendlich kann man aber eigentlich jeder Stern dessen Entfernung und radiale Geschwindigkeit gut messbar sind (nicht die variable Sterne, deren Atmosphäre pulsiert, so dass es zu variabler Radialgeschwindigkeit kommt! Es sei denn man lotet das ganze atmosphärische Geschwindigkeitsverhalten aus). Aus der an diesen Sternen gemessenen Radialgeschwindigkeit kann, wieder unter der Annahme von Kreisbahnen (siehe Text bei Bild 8), ebenso die volle Bahngeschwindigkeit berechnet werden.

Die Rotationskurve der Galaxis (Bild 9) ist natürlich nur gültig, wenn die oben angegebenen Annahmen im wesentlichen richtig sind. Mit solch einer Kurve kann man nun jede beobachtete Radialgeschwindigkeit in eine Entfernung umsetzen. Auf diese Art ist die Lage vieler Objekte in der Galaxis bestimmbar geworden. Aber da gilt auch eine Warnung: Wenn es lokale Abweichungen dieser Bewegungsverhältnisse gibt, ist eine derartige Umsetzung von Geschwindigkeit in Entfernung fehlerhaft. Es ist aber wunderbar, dass mit der Methode dennoch Entfernungen von vielen Kiloparsec ziemlich gut bestimmt werden können.


Rotationskurve der Milchstraße
Bild 9. Die Rotationskurve der Galaxis hat eine Struktur, die von den Massekomponenten der Galaxis bestimmt wird. Der steile Anstieg im Inneren (nahezu Rotation wie die eines festen Körpers) wird durch die schnell nach aussen ansteigende innere Masse der Galaxis bestimmt. Danach wird die Rotation langsamer und flacht ab, so wie es durch die Masse in der Scheibe zusammen mit den Keplerschen Gesetzen erklärt werden kann. Weit nach aussen ist die Rotation weniger gut bestimmbar, bleibt aber eher konstant oder steigt sogar an. Dies kann nicht mit Hilfe bekannter vorhandener Masse erklärt werden. Man postuliert daher eine zusätzliche unbekannte Massekomponente, die Dunkle Materie. (Bild Fich & Tremaine 1991; die eingetragenen Querlinien [siehe dazu auch Bild 6 und Bild 8] geben die Werte für die Bahn der Sonne an) 

5. Dunkle Materie

Die Geschwindigkeit der Rotation der Galaxis nimmt, wie beobachtet, nach aussen hin nicht ab, sondern bleibt nahezu konstant oder steigt sogar an (Bild 9). Dies passt nicht zu den Keplerschen Gesetzen, die einen Abfall nach aussen vorhersagen. Andere Galaxien zeigen dieses Verhalten auch. Die Erwartung des Abfallens basiert auf der Wirkung der Gravitation der Gesamtmasse der Galaxis. Das Fehlen des Abfalls wird nun so gedeutet, dass es wohl mehr Masse gibt, als man mit den bekannten Materiekomponenten (Sterne, Gas, Staub, Kometen) erklären kann.

Damit wurde auch ein Hinweis auf Dunkle Materie aus der Stellarstatistik wieder aktuell. Die Studien (angefangen von Kapteyn in den Niederlanden) zur räumlichen Verteilung der Sterne zeigten, dass die stellare Scheibe zu dünn ist im Vergleich zu der von der Masse der vorhandenen Sterne ausgeübten vertikalen Anziehungskraft. Oort (1932) schloss schon darauf, dass zusätzliche Materie notwendig war, um die Dünne der Scheibe zu erklären, Materie die nicht zu sehen war.

Man postuliert daher die Existenz Dunkler Materie, Materie, da mit mehr Materie die gravitative Wirkung größer ist und so zu dem beobachteten Verlauf der Rotation führt, und dunkel, da man diese Materie nicht sieht und sie nicht mit herkömmlichen Formen der Erscheinungen der Materie in Einklang zu bringen ist. Mehr darüber an einer anderen Stelle (siehe Aufsatz Dunkle Materie).

Die dunklen Stellen in Bild 1 werden von interstellarem Staub verursacht, Staub der im infraroten Teil des Spektrums hell leuchtet. Daher ist das nicht die Dunkle Materie.

6. Größe der Scheibe

Wie groß die Scheibe der Galaxis ist, kann nicht einfach festgestellt werden. Die räumliche Dichte der Sterne nimmt senkrecht zur Scheibe ab, sie wird auch in Richtung weg vom Zentrum der Galaxis immer geringer. Bei Messung anderer Galaxien stellt man fest dass, je länger die Belichtung, um so ausgedehnter die Galaxie erscheint. Aber in irgendeiner Entfernung ist die räumliche Dichte der Sterne so gering, dass sie im Vergleich zur Dichte in der Scheibe vernachlässigbar wird. Von jenseits dieser Entfernung kommt dann kein Sternlicht, die Galaxien haben daher einen Rand. Strahlung vom Gas lässt sich oft bis in größerer Entfernung nachweisen.

Der räumliche Abfall der Dichte wird gerne durch eine Exponentialfunktion beschrieben: N(r) = N(0) e-r/h mit N die Raumdichte in der Entfernung r, N(0) die Dichte im Referenzpunkt (z.B. in der Sonnenumgebung), und h der Skalierungsparameter.

Durchmesser der Scheibe
Mit Hilfe der 21 cm Wasserstoffstrahlung wurde gefunden, dass die Gasscheibe unserer Galaxis einen Durchmesser von etwa 30 kpc hat. Dies bedeutet, dass sich die Sonne etwa in Entfernung eines halben Galaxienradius vom Zentrum befindet.

Leider ist es nicht gut möglich, das Ausmaß der Scheibe aus der räumlichen Verteilung der Sterne abzuleiten. Der Staub in der Gasscheibe hindert das Licht der fernen Sterne daran uns zu erreichen. Aber auch die Bestimmung der Entfernung individueller Sterne ist nicht genau genug, um in großer Entfernung verlässliche Werte zu gewinnen.

Dicke der Scheibe
Das Gas der Galaxis befindet sich in einer dünnen Scheibe. Sterne entstehen in dichten interstellaren Wolken, und die erkennbar jungen Sterne der Galaxis findet man in der Tat in einer dünnen Scheibe. Die meisten Sterntypen aber haben eine räumliche Verteilung, die im Vergleich zum Gas aufgebläht ist. Sie sind eher in einer “dicken Scheibe” verteilt. Wie kommt so etwas zustande?

Dicke der Gasscheibe
Das Gas der Galaxis befindet sich in einer dünnen Scheibe. In den dichten Wolken entstehen Sterne (mehr darüber im Text über Das interstellare Medium). Die jungen Sterne haben daher eine räumliche Verteilung ähnlich der des Gases. Die Gasscheibe ist sehr dünn, sie hat eine Skalenhöhe von etwa 100 pc.
Dicke der Sternscheibe

Auch wenn Sterne in der dünnen Scheibe entstehen und sich deswegen auf Kreisbahnen bewegen, so sind ihre Bewegungen dennoch Störungen ausgesetzt. Im Beispiel von Bild 6 wird klar, dass bei konstanter Bahngeschwindigkeit die inneren Sterne die äusseren überholen. Wenn sie dicht aneinander vorbeiziehen, sind sie der gegenseitigen Schwerkraft ausgesetzt und werden so aus ihrer Bahn heraus in eine andere Bahn gebracht. Ziemlich bald sind durch solche Wechselwirkungen die anfänglichen Kreisbahnen zu leicht elliptischen Bahnen geworden. Selbstverständlich kann solch eine Interaktion auch zu einer Bewegung aus der dünnen Scheibe heraus führen. Dies bewirkt ein derartiges Getümmel, dass die mit Sternen gefüllte Scheibe dicker wird, bis eine Bilanz zwischen der Senkrechtkomponente der Bewegung und der Gesamtschwerkraft der Scheibe erreicht ist. Die Sterne sind eben gravitativ an die Galaxis gebunden.

Dass Sterne elliptische Bahnen oder auch Bahnen einer dicken Scheibe haben, kann aus Messungen und einer Bahnberechnung nachvollzogen werden. Man misst die Radialgeschwindigkeit eines Sterns mit Hilfe des Doppler-Effekts, man bestimmt die Entfernung aus Sterntyp und Helligkeit und berechnet die Quergeschwindigkeit aus gemessener Eigenbewegung (in Bogenmaß) und Entfernung. Damit sind die heutige Lage und der heutige Geschwindigkeitsvektor des Sterns bekannt. Mit Hilfe eines Modells für die räumliche Verteilung der Masse der Galaxis kann nun die Bahn des Sterns und seine Lage im Laufe der Zeit berechnet werden. Dabei lässt man die Interaktion mit anderen Sternen ausser Betracht. Die Form der Bahn kann in einem Meridionalschnitt (Bild 10) dargestellt werden.



Bild 10   Die Bahnen von drei Objekten um das galaktische Zentrum sind hier in einem Meridionalschnitt dargestellt. Dies ist eine Ebene senkrecht zur Scheibe der Galaxis, die mit dem Stern auf seiner Bahn um das galaktische Zentrum mitrotiert. Die Kurven zeigen, wie weit die Sterne sich im Laufe der Zeit vom galaktischen Zentrum (Punkt links) entfernen (Höhe Z über/unter der Scheibe, Entfernung R (oder w) vom Zentrum der Galaxis. Sterne “tanzen” gewissermassen um die Ebene der Galaxis.

Die Bahn der Sonne, die in der Scheibe bleibt, ist mit blau dargestellt. Ein relativ alter Stern bewegt sich durch die dicke Scheibe und seine Bahn ist mit grün angegeben. Ein Objekt, das sich weit in den Halo hinein begibt, hat eine mit rot dargestellte Bahn.


Andere Objekte in unterschiedlichen Entfernungen zum galaktischen Zentrum würden ähnliche Bahnen zeigen. Kugelsternhaufen haben langgezogene elliptische Bahnen (und im Mittel ohne Anteilnahme an der galaktischen Rotation!), deren Hauptachsen im Laufe der Zeit unterschiedliche Richtungen haben können (projizierte Bahnen etwa wie die roten Kurven aber viel weiter herausreichend). Die meisten Sterne der Galaxis haben scheibenartige Bahnen mit Formen innerhalb der mit blau bis grün dargestellten. Für die Projektion auf die galaktische Scheibe siehe Bild 11.       (Bild erstellt von Martin Altmann)

Nur verhältnismässig wenige der Sterne der Galaxis haben Bahnen, die weit in den Halo hineinreichen. Das muss wohl so sein, da sonst die schon seit langem gefundene Dichteverteilung senkrecht zur Scheibe (wie in Bild 5 dargestellt) ganz anders hätte aussehen müssen. Die Untersuchung an sehr blauen Horizontalaststernen zeigt, dass die dicke Scheibe eine Skalenhöhe von etwa 1 kpc hat, dass aber die Halo-Population von unserer Stelle in der Galaxis aus durch eine Skalenhöhe in z-Richtung von etwa 5 kpc charakterisiert werden kann (Altmann, de Boer & Edelmann).

Fast alle Kugelsternhaufen haben Halo-Bahnen (langgezogene Ellipsen). Letztere Objekte sind eher nicht in der Scheibe der Milchstraße entstanden. Sie sind zum Teil sehr alt und entstammen den Anfängen der Galaxis. Vielleicht wurden auch einige Kugelsternhaufen den von der Galaxis eingefangenen kleinen Begleitgalaxien entrissen und der galaktischen Kugelsternhaufensammlung hinzugefügt.



Bild 11   Die Bahnen der selben drei Objekte aus Bild 9 sind nun projiziert auf der Ebene der Galaxis (X,Y) dargestellt. (Die Skala ist um einen Faktor 2 anders als in Bild 9!) Die Kurven zeigen, wie weit die Sterne sich im Laufe der Zeit vom galaktischen Zentrum (Punkt in der Mitte) entfernen. Sterne “eiern” gewissermassen um das galaktische Zentrum.   Objekt- und Farbkodierungen wie in Bild 10. Achte auf die rote Bahn eines Haloobjektes.       (Bild erstellt von Martin Altmann)

7. Spiralarme

Junge Sterne können mit ganz unterschiedlicher Anfangsmasse entstehen. Die massereichen jungen Sterne sind heiss und leuchten sehr hell. Sie sind im Prinzip über große Entfernungen sichtbar, aber wegen ihrer Lage in der Scheibe werden sie zum Teil stark durch den interstellaren Staub verdunkelt.
Dennoch hat man von vielen jungen Sternen die Entfernung bestimmen können. Dabei wurde entdeckt, dass sie in streifenartigen Strukturen liegen, zwischen denen es keine jungen Sterne gibt.

Insbesondere eine Studie der Geschwindigkeit interstellarer Wolken in Richtung der nördlichen Milchstraße zeigte zwei Geschwindigkeitskomponenten. Die eine entstammt dem Gas in Sonnennähe mit nahezu gleicher Geschwindigkeit wie die der Sonne. Die andere Gaskomponente hat eine Geschwindigkeit, die laut Rotationsmodell der Geschwindigkeit der Gase des Perseus-Spiralarmes entspricht (Bild 12).

Bild 12. Die Geschwindigkeit der Absorptionen durch interstellares Material in Richtung der Sterne der galaktischen Scheibe in den Sternbildern Cepheus über Perseus bis Auriga wird von den eingetragenen Geschwindigkeitskomponenten gezeigt. Gas der unmittelbaren Sonnenumgebung hat etwa 0 km/s Radialgeschwindigkeit.
Die gestrichelten Linien deuten die laut Rotationsmodell für Entfernungen von 1, 2, 3 und 4 kpc (von oben nach unten) erwarteten radialen Geschwindigkeiten an. Die Daten untermauern die Existenz eines Spiralarmes in etwa 2.5 kpc Entfernung der Sonne. (Bild nach Münch 1965)

Ein Vergleich mit anderen Galaxien zeigt sofort, dass auch unsere Galaxis Spiralarme hat. Spiralarme sind Streifen besonders dichten Gases, in denen die Bildung junger Sterne aktiv ist. Die massereichen Sterne heizen dann das Gas auf, das dadurch anfängt zu leuchten. Spiralarme zweier anderer Galaxien sind in Bild 2 zu erkennen.

Spiralarme zeigen nicht die Verteilung der Materie in einer Galaxis. Spiralarme sind (wegen der vielen jungen heissen Sterne) die leuchtkräftige Gebiete einer Spiralgalaxie. Die meisten Sterne einer Galaxis sind eher massearm (solche haben eine hohe Lebenserwartung; siehe Physik der Sterne) und daher lichtschwach, und sind eher gleichmässig in der Scheibe verteilt.

8. Ausmaß des Halo

Wie groß der Halo der Galaxis ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Da er wohl eine etwa sphäroidale Form hat und wir die Dichteverteilung nur aus einem weit vom Zentrum entfernten Punkt betrachten können, ist höchstens die Information über dem Abfall der Dichte zu gewinnen. Andeutungsweise könnte er senkrecht zur Scheibe am Ort der Sonne durch eine Exponentialfunktion mit einer Skalenhöhe von 10-20 kpc angegeben werden. Individuelle Sterne, speziell die leicht erkennbaren RR Lyr Veränderlichen, sind bis in 50 kpc Entfernung vom Zentrum der Milchstraße bekannt. Auch gibt es noch weiter entfernte Kugelsternhaufen.

Berechnungen der Dynamik der Sterne (wie in Bild 10) geben ebenfalls Hinweise auf die Ausdehnung des Halos.

Wichtig ist es zu verstehen, dass die Objekte im Halo meist stark elliptische Bahnen haben. Einer der Fokalpunkte dieser Bahnen ist, selbstverständlich, der Massenmittelpunkt (das Zentrum) der Galaxis. Die Bewegungsrichtung der Halo-Objekte ist “regellos”, d.h., die Summe der Objekte zeigt keine teilnahme an der Rotation (im Gegensatz zur Scheibe). Deswegen konnte man (siehe Kap. 4) aus der mittleren gemessenen Geschwindigkeit der Objekte links von Zentrum im Vergleich mit der rechts vom Zentrum die Bewegung der Sonne ableiten!

Schliesslich sind zwei kleinere Galaxien gravitativ an die Milchstraße gebunden. Die Große und die Kleine Magellansche Wolke kreisen umeinander herum und gemeinsam weiträumig um die Galaxis. Sie gehören im weitesten Sinne zum Halo. Es ist gut möglich, dass die Galaxis sie aus dem intergalaktischen Raum eingefangen hat, so wie sie die kleine Sagittarius Galaxie einfing.

9. Gesamtgalaxis

Das am Himmel sichtbare Milchstraßenband zeigt, dass unsere Galaxis eine Scheibengalaxie ist.
= In der Scheibe steckt das interstellare Gas. Verdichtungen darin führen zur Sternenbildung, die dann als Spiralarme erkennbar sind. Die jungen Sterne befinden sich in einer dünnen Scheibe. Ältere Sterne hatten im Laufe der Zeit häufige gravitative Wechselwirkungen, die zu Abweichungen vom ursprünglichen Kreisbahn führten. Dies bewirkte, das die mittlere Scheibe dicker wurde.
= Im Zentralbereich (in dem Buckel) ist die Sterndichte ziemlich groß. Desweiteren gibt es im Zentrum der Galaxis ein sehr schweres “schwarzes Loch”. Darüber ist an einer anderen Stelle mehr zu finden (Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße). Die Wirkung der Schwerkraft dieses schwarzen Lochs ist nur bis in beschränkter Entfernung relevant, da die Schwerkraftwirkung der Gesamtmasse der vielen anderen Objekte bald größer ist.
= Der Halo ist der nur spärlich mit Sternen gefüllte, ausgedehnte sphärische Raum, in dem sich auch die Kugelsternhaufen befinden. Und zusätzlich gibt es wohl überall die Dunkle Materie….


Quellen:
Altmann M., de Boer K.S., & Edelmann H. 2001, Astron. Nachr. 322, 397
Fich M., & Tremaine S. 1991, Ann. Rev. Astron. Astrophys. 29, 409
Münch G. 1965, in “Stars and Stellar Systems V”, Ed. A Blaauw & M. Schmidt, Univ. Chicago Press; S. 203
Oort J.H. 1932, Bull. Astr. Inst. Neth. VI, 249
Oort J.H. 1938, Bull. Astr. Inst. Neth. VIII, 233
Oort, J.H., & Plaut, L. 1975, Astron. Astrophys. 41, 71
Reid, M.J. 1993, Ann. Rev. Astron. Astrophys. 31, 345: “The distance to the center of the Galaxy”
Schwarz O., de Boer K.S. et al. 2001, “Astronomie” (Buch für Schule und Grundstudium), PAETEC, ISBN 3-89517-798-9


Anschrift des Autors: K.S. de Boer,   Sternwarte, Auf dem Hügel 71, D-53121 Bonn
e-mail: deboer@astro.uni-bonn.de
Veröffentlicht Jan. 2002:     Ergänzungen am 2002.10.15  ,   2003.05.08,   2004.07.15,   2005.03.24,   2007.09.20 (Korrekturen 2007.10.10)

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